Wie berichtet, kritisierte die Aktion21 jüngst beim Pressefrühstück am 14.9.2010 erneut die Widmungsverfahren der Stadt Wien und die dabei zu kurz kommende Bürgerbeteiligung. Als trauriges Beispiel wurden dabei nicht nur die Kometgründe, sondern auch der heftig umstrittene Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Nr. 7915 für das Gebiet Monte Laa genannt. Stadtrat Rudolf Schicker widerspricht nunmehr im nachfolgenden Artikel von ORF Online sämtlichen Vorwürfen:

Wachstumsschmerzen einer Stadt

Unverzichtbare Repräsentationsflächen für die Wirtschaft und Grätzelmittelpunkt oder sinnlose Anrainerfrotzelei? In Wien ist an mehreren Orten ein emotionaler Streit über Hochhäuser entstanden. Anwohner beschweren sich lautstark über Dauerschatten und zu wenig Bürgerbeteiligung in der Planungsphase. Der zuständige Stadtrat Rudolf Schicker (SPÖ) versteht die Aufregung nicht.

Bei einer Pressekonferenz der Aktion 21 vergangene Woche hörte man gruselige Schauergeschichten. Die Plattform fungiert als Netzwerk verschiedener Bürgerinitiativen, die ein gemeinsames Anliegen haben: mehr in die Stadtplanung eingebunden zu werden. Berichtet wird etwa über das Komet-Hochhausprojekt in Meidling. 73 Meter hoch soll der Turm werden – mitten in bewohntem Gebiet, ein Mega-Einkaufszentrum samt Büroflächen. Damit die Gegend nicht mehr ganz so besiedelt und genug Platz für den Tower ist, wurde ein neuer Flächenwidmungsplan erstellt. Fazit: Mieter und Hausbesitzer müssen weichen, Bäume wurden bereits gefällt.

 „Widmungsgeschenk der Sonderklasse“

Die Bürgerinitiative spricht von einem „Widmungsgeschenk der Sonderklasse“ und von fadenscheinigen Begründungen für die Umwidmung. Man habe ihnen gesagt, die Umwelt- und Verkehrsbelastung in dem Grätzel sei so hoch, dass Bewohner erst ab einer Höhe von 15 Metern wohnen sollten – was für ein Hochhaus und gegen die normalen, dreigeschossigen Altbauten vor Ort spreche. Bisher lebten die Mieter auch mit der Verkehrsbelastung – die nicht mit jener am Wiener Gürtel zu vergleichen ist, der auch bewohnt wird. Die gefällten Bäume seien ohnehin tot gewesen, habe es zudem geheißen. Das stimme nicht, sagen die Anwohner unter Berufung auf Rodungsarbeiter.

 Außerdem, beschweren sich die Anrainer, seien sie von der Planung so gut wie ausgeschlossen worden. Die rund 750 gesammelten Stellungnahmen von Betroffenen habe man einfach ignoriert.

Hochhaus statt „Rattenstadel”

Stimmt alles nicht, sagt Planungsstadtrat Schicker im Interview mit ORF.at. Die Stadt Wien habe sich streng an die Gesetze gehalten. Die Stellungnahmen seien in den Akt eingearbeitet worden – samt Anmerkungen der Experten, ob und wie man sie in der Praxis berücksichtigen könne – oder warum eben nicht. Dieser Akt sei offen einsehbar und den Gemeinderäten vorgelegt worden, die dann den Bau beschlossen hätten.

Irgendwann habe eine Entscheidung getroffen werden müssen, meint Schicker. Und für das Allgemeinwohl sei ein Hochhaus wichtiger als die Erhaltung des „Rattenstadels“, der heute dort stehe. Das Einkaufszentrum sei aufgrund der guten Öffi-Anbindung für viele Menschen eine gute Möglichkeit, einzukaufen. Der nahe gelegenen Meidlinger Einkaufsstraße würden keine Kunden entzogen, sondern im Gegenteil angelockt. Und keine Wohnung werde länger als zwei Stunden durch das Hochhaus beschattet.

„Mauscheleien“ oder „Sudelpropaganda“?

Was die Eigentumsverhältnisse betrifft, sprach das „Wirtschaftsblatt“ vor einiger Zeit von undurchsichtigen „Unternehmensverschachtelungen“ – die Interessenlage sei unklar. Die Bürgerinitiative vor Ort stellt den Vorwurf von Absprachen in den Raum. SPÖ-Ex-Innenminister Karl Schlögl scheine im Protokoll der Wettbewerbsjury als Vertreter der Komet-Betreiber auf. Er habe das Projekt dem SPÖ-Rathausklub und der SPÖ-Fraktion Meidling präsentiert. Schicker spricht von „Sudelpropaganda“. Alle gesetzlichen Vorschriften seien eingehalten worden, egal wer das Projekt präsentiert habe. Aber die Stadt entwickle sich eben weiter – auch in die Höhe.

Fallwinde im Öffi-Loch

Ein ähnlicher Fall ist das Hochhausprojekt Monte Laa. Erst vor wenigen Jahren wurden Mieter in das neu entstandene Paradies für Jungfamilien an der Südosttangente gelockt. Zahlreiche dieser Familien richteten ihre Lebensplanung entsprechend ein und zogen in Genossenschaftswohnungen. Eine Vorzeigeschule samt Kindergarten wurde errichtet – mit zwei schönen Grünflächen. Dann wurde der Flächenwidmungsplan geändert.

Zwei ursprünglich geplante, architektonisch ambitionierte Hochhäuser, die eher am Rand der Siedlung gelegen hätten, wurden plötzlich zu drei Zweckhochhäusern, die nicht nur die Schule, sondern auch gleich einen Gutteil des neu enstandenen Stadtviertels je nach Uhrzeit in Schatten tauchen. Befürchtet werden zudem unangenehme Fallwinde wie jene auf der Donauplatte.

Es führt kein Weg …

Die öffentliche Verkehrsanbindung ist ebenfalls mangelhaft, laut Bürgerinitiative haben die Verantwortlichen sogar gemogelt, was die Entfernung zur nächsten U-Bahn-Station betrifft. Das wiederum würde eine erhöhte Verkehrsbelastung bedeuten. Zudem gebe es keine aussagekräftigen Computerbilder der geplanten Hochhäuser samt Umgebung und kein Modell. Beides hätte aber Teil der Bürgerbeteiligung sein sollen. Auch bei diesem Projekt heißt es, rund 1.000 Stellungnahmen gegen das Projekt seien ignoriert worden.

Erneut widerspricht Schicker. Das Problem sei, dass die Genossenschaft die Mieter nicht über die Projekte informiert hätte. Die ursprüngliche Planung hätte die Schule noch mehr in Schatten getaucht. Die Umwidmung sei nicht zu vermeiden gewesen, weil die alte Flächenwidmung ausgelaufen wäre und man die Pläne der Firma PORR Solutions, der die Gründe gehören, nicht über den Haufen werfen wollte: „So viel Rechtssicherheit muss sein.“ Auch hätten die Bürger von PORR Solutions Bilder gezeigt bekommen.

Die Wogen gehen hoch

Zwei Welten prallen hier aufeinander. Auf der einen Seite steht Schicker, der meint: „Die Stadt muss sich weiterentwickeln.“ Und er lässt durchblicken – während sein Vorgänger gegen Hochhäuser gewesen sei, stehe er für eine sich entwickelnde Skyline der Stadt. Auf der anderen Seite finden sich Bürger, die meinen, die SPÖ versorge hier Unternehmen, die ihr nahe stehen, und nehme auf Anrainer keine Rücksicht. Dazwischen stehen Mediationsprozesse, die offenbar wenig fruchten. Zumindest legen das die offensichtlichen Aggressionen auf beiden Seiten nahe. Irgendwo im Prozess der Bürgerbeteiligung ist die Diskussionskultur auf der Strecke geblieben.
Simon Hadler, ORF.at”
Quelle: ORF.at, 20.9.2010

Autor

Schreiben Sie einen Kommentar

adipiscing Aliquam elementum ipsum eleifend ultricies