Die historische Brotfabrik im Blickpunkt der Geschichte – angefangen von der Gründung und dem Aufstieg zur Weltgröße und Musterbetrieb, über die Krisen in Kriegszeiten bis hin zur heutigen Situation.

Die Gründung

Die Gründer der bekannten Fabrik waren die Brüder Heinrich und Fritz Mendl. Sie handelten als „Commissionswarenhändler“ in Döbling mit Tee und Kaffee und erwarben unter anderem auch eine Molkerei.

Die Ankerbrotfabrik hat ihren Ursprung in der Schwarzbäckerei Emanuel Adlers in der Favoritenstraße, welche in Konkurs ging. Im Jahr 1891 kauften die Brüder Mendl die Schwarzbäckerei und gründeten im Juli 1891 schließlich die Ankerbrotfabrik unter dem Namen „Wiener Brotfabrik und Gebäckfabrik Heinrich & Fritz Mendl“.

Heinrich und Fritz Mendl erkannten schnell, dass es im Arbeiterbezirk Favoriten massive Probleme in der Brotversorgung gab – die Bäcker kamen mit der Brotherstellung auf Grund der großen Nachfrage nahezu nicht nach. Die täglich mehr leer als vollen Regale veranlassten die Brüder Mendl, ein Grundstück in der Absberggasse 35 zu kaufen und dort hin ihren Firmenstandort zu verlegen. Brot wurde somit ab 1893 bereits im neuen Firmengelände in der Absberggasse produziert. Der neue Standort erwies sich zudem als äußerst praktisch, da die vollbeladenen Pferdewaggons die Fabrik bergab verließen, während die leeren Waggons den Hang hinauf leichter zur Fabrik zurückkehrten.

Auch der berühmte „Anker“, ein Symbol des Vertrauens und der Sicherheit, wurde von den Brüdern Mendl im Jahre 1893 beim Handelsgericht als Markenzeichen eingetragen. Bis zur Arisierung im Jahr 1938 trug der ursprünglich blaue Anker noch die Initialen HFM in sich.

 

Vom Kleinbetrieb zur Weltgröße

1891 startete der Betrieb mit sechs Backöfen und 20 Arbeitern, die pro Tag rund 2000 Stück 2kg-Brotlaibe produzierten. So schnell wie immer mehr und mehr gebacken wurde, so rasch vergrößerte sich auch die Fabrik. Nahezu Jahr für Jahr wurden neue Investitionen in die Brotproduktion getätigt. Kurz vor der Jahrhundertwende wurde 1899 der Aufbau eines Filialnetzes gestartet. Im Jahre 1903 wurde eine Mühle und ein Kornspeicher in Betrieb genommen, was zu weiteren Ertrags- und Produktionssteigerung führte. Mit der Erzeugung von Weißgebäck wurde im Jahre 1912 begonnen. Mit 21 Backöfen, die mittlerweile zur Verfügung standen, konnten damals bis zu 500.000 Stück Weißgebäck pro Tag produziert werden.

Mit hoher Qualität machte sich die Ankerbrotfabrik in der damals noch bestehenden Monarchie bald einen Namen als K.u.K.-Hoflieferant. Das Privileg des Titels „k.k. Hoflieferant“ kam nur Betrieben mit besten Qualitätskriterien bei ihren Produkten zu, den sich die Brüder Mendl mit ihren Verdiensten als Pioniere der wohlschmeckenden Dauerbackwaren zu Recht erworben haben.

Bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, genau genommen im Jahre 1914, beschäftigte die Ankerbrotfabrik 1300 Mitarbeiter und war die größte Brotfabrik Europas. Für viele Favoritner war sie damals ein immer wichtiger werdender Arbeitgeber: Bereits 1920 hatte das Unternehmen 100 Filialen, 2000 Mitarbeiter und 250 Pferdegespanne. Sie versorgten täglich mehr als 100 Wiener Filialen sowie mehr als 4000 zusätzliche Verkaufsstellen.

 

Ankerbrot als Musterbetrieb

Die Brüder Mendl waren jedoch nicht nur Pioniere in der Broterzeugung und damit ein wichtiger Arbeitgeber in Wien Favoriten, sondern sie forcierten auch die soziale Stellung ihrer Arbeiter. Insbesondere Fritz Mendl steuerte bereits im Jahre 1891 den damals herrschenden katastrophalen Lohn- und Arbeitsverhältnissen entgegen, in dem er einen 8-Stunden-Tag (an Stelle des 24-Stunden-Tages) einführte und sich um bessere und akzeptable Löhne für seine Bäcker bemühte.

Die in der Folge gesetzten sozialen Maßnahmen glichen in der damaligen Zeit einer sozialen Großleistung. So wurden beispielsweise Bäder, Speisesäle und sogar ein Sanitätszimmer für die Mitarbeiter geschaffen. Für die Kinder der Arbeiter und Angestellten wurde ein Erholungsheim adaptiert. Um die Wohnungsnot zu lindern, wurden von der Geschäftsführung auch Objekte in Fabriksnähe gekauft und als Wohngebäude adaptiert. In der Zwischenkriegszeit konnten Mitarbeiter auch die am Fabriksgelände angelegten Schrebergärten erwerben.

Die Brüder Mendl wollten ihren Mitarbeitern ab 1.1.1919 auch eine Beteiligung an der Hälfte der Erträgnisse des Unternehmens zukommen lassen. Diese damals revolutionäre Idee scheiterte jedoch an der ökonomisch schlechten Lage nach Kriegsende.

 

Ankerbrot während der Wirren der Weltkriege

Der erste Weltkrieg setzte der Ankerbrotfabrik ordentlich zu. Durch den Niedergang der Habsburgermonarchie ging der Absatzmarkt in den Kronländern verloren. Die allgemeine wirtschaftliche Flaute wirkte sich ebenso aus wie die verringerte Kaufkraft des Geldes und die immer höher steigende Arbeitslosenrate. Auf Grund der allgemeinen Verarmung und der Hemmung des Absatzes von Grundnahrungsmitteln kam es im Jahre 1918 unter anderem auch zu Hungerdemonstrationen vor der Ankerbrotfabrik. Die Arbeiter reagierten darauf und gründeten die „Arbeiterwehr“, die mit rund 1000 Mann zur stärksten in Wien zählte und das Werk vor den drohenden Plünderungen schützte.

Auch die Geschäftsführung reagierte auf die Wirren der neuen Ära: Um den Absatzschwierigkeiten entgegenzutreten, forcierten die Brüder Mendl eine neue Betriebspolitik. Sie setzten auf neue Produkte, billige Waren und Werbung. Vor allem Julius Klinger und Josef Binder entwarfen Slogans und Werbeplakate, deren Werbewirksamkeit über Jahrzehnte hin anhielt. So ging beispielsweise der populäre Slogan der dreißiger Jahre „Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und ANKERBROT.“ in die Kulturgeschichte ein. Im Jahre 1924 wurde die Ankerbrotfabrik, die bereits seit 1906 unter dem Namen „Ankerbrot“ firmierte, als Aktiengesellschaft eingetragen.

Nahezu zur Legende wurde auch ein Maler, der während der Zwischenkriegszeit fast jeden Tag zur Ankerbrotfabrik kam und dort in seinem „Freiluftatelier“ Bilder von der Fabrik malte. Dabei arbeitete er mit Wasserfarben, Öl und Pastell. Er soll durchaus Talent gehabt haben, hatte jedoch ausschließlich die Ankerbrotfabrik im Visier. Wovon der Mann, an dessen Name sich niemand mehr erinnern kann, gelebt hat konnten sich die Favoritner nicht erklären. Man vermutet, dass er sich eventuell mit Spenden über Wasser gehalten hat, denn seine Werke konnte er trotz vieler Zuschauer scheinbar nicht verkaufen. Eines Tages kam der Maler nicht mehr zur Fabrik und seine Bilder sind ebenso im Sand der Zeit verschwunden wie er selbst.

Während der Unruhen im Februar 1934 erfolgte ein Streikaufruf, worauf es zur bewaffneten Auseinandersetzung mit den Ordnungskräften kam. Die Ankerbrotfabrik war zu diesem Zeitpunkt Stützpunkt des republikanischen Schutzbundes und der sozialdemokratischen Partei. Nach der Niederschlagung des Streiks wurden zahlreiche Mitarbeiter der Ankerbrotfabrik verhaftet.

Im Jahre 1938, wenige Tage vor der Okkupation Österreichs im März, setzte sich die Familie Mendl in die Schweiz ab. Das Werk wurde zwar „arisiert“, war jedoch rasch ein Zentrum des Widerstands gegen die Nationalsozialisten.

Als die Angleichung der Steuern an das höhere reichsdeutsche Niveau (bei gleichbleibenden Löhnen!) erfolgte, streikte die Belegschaft im Jahre 1939 und sorgte dafür für großes Aufsehen. Die GESTAPO schlug den Streik nieder und war in den Folgejahren öfters bei Ankerbrot gesichtet.

Im Laufe der nationalsozialistischen Zeit wurden mehrere Betriebsangehörige verhaftet. Die vier aktiven Widerstandskämpfer Alexander Scheck (Mitglied des Schutzbundes, erschossen am 13.2.1934), Käthe Odwody, Franz Misek (hingerichtet am 19.9.1944) und Ludwig Führer (hingerichtet am 5.12.1944) bezahlten ihre Haltung mit dem Leben. Ihnen zu Ehren wurde 1946 in der Absberggasse 35 eine Gedenktafel enthüllt. Käthe (Katharina) Odwody, deren Name heute die Gasse von der Laaer-Berg-Straße hinein zum Kindergartenbereich Campus Monte Laa trägt, wurde am 23.9.1943 hingerichtet.

 

Die Zeit nach den Weltkriegen bis heute

Während des zweiten Weltkrieges blieb auch die Ankerbrotfabrik nicht unbeschädigt. Die wichtigsten Bereiche, wie Pack- und Maschinenräume, blieben jedoch heil. Auch die Roggenmühle war gebrauchsfähig. Die Wiederaufnahme des Betriebes gestaltete sich dennoch schwierig: Die SS hatte alle Pferde und Lastwägen entweder mitgenommen oder vernichtet, was die Versorgung der Bevölkerung erschwerte. Auch die Plünderungen durch die Zivilbevölkerung belastete die Wiederaufnahme der Broterzeugung. So erholte sich die Ankerbrotfabrik nur langsam von den wirtschaftlichen Rückschlägen und den Beschädigungen.

Nach Kriegsende wurde das Unternehmen wieder an die Familie Mendl übergeben und wurde anschließend schrittweise vom Schoeller-Konzern übernommen. Im Jahre 1965 verlässt das letzte Pferdefuhrwerk das Fabriksgelände. Ab sofort erfolgte die Auslieferung der Waren mit VW-Bussen.

Der Industriekonzern Schoeller fusionierte Ankerbrot im Jahre 1970 mit den Hammerbrotwerken. Diese wurden bereits 1908 gegründet und war in Schwechat beheimatet. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Hammerbrotwerke auch Standorte in Floridsdorf und in der Leopoldstadt. Auf Grund der vorangegangenen Fusionierung wird der Name kurzfristig auf „Vereinigte Nahrungsmittel Industrie AG“ abgeändert. Bereits 1972 werden die Hammerbrotwerke geschlossen. Auch die Ankerbrotfabrik hatte Schwierigkeiten, der Personalstand wurde von mehr als 3000 auf etwa 1900 reduziert.

Im Jahre 1981 erwarben die Brüder Helmut und Gerhard Schuster das Unternehmen. Die Firma erlebte in dieser Zeit einen Aufschwung und wurde 1983 wieder in „Ankerbrot“ umbenannt. 1996 übernahm Ankerbrot die Ährenstolz GmbH aus dem ehemaligen Konsumbesitz und kam dadurch ins Trubeln. Im Jahre 1997 wurden schließlich 74% der Aktien an die deutsche Müllerbrot G.m.b.H verkauft. Die Familie Schuster behielt 23%, die restlichen Aktien befanden sich im Streubesitz. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ankerbrot einen Umsatz von ca. 160 Millionen Euro und beschäftigte 2630 Mitarbeiter.

2003 übernahm der deutsche Millionär Klaus Ostendorf die schwer angeschlagene Ankerbrot AG.

Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten ging das mittlerweile bereits teilweise denkmalgeschützte Fabriksgebäude in der Absberggasse 2005 in das Eigentum eines Bankenkonsortiums (unter der Führung der Bank Austria) über. Ankerbrot konnte das Areal jedoch – ursprünglich befristet bis 2008 – pachten. Im Frühjahr 2006 erwarb die US-Investmentgruppe Apax ein Unternehmensanteil von 40%.

Heute betreibt Ankerbrot noch 170 Filialen im Großraum Wien und beschäftigt rund 1.800 Mitarbeiter. Nach der erfolgreichen innerbetrieblichen Sanierung in den letzten Jahren steht das Unternehmen wieder auf soliden Beinen.

Im Südteil der Fabrik in der Absberggasse produziert Ankerbrot heute noch. Im restlichen Teil des Areals errichtet die Loftcity GmbH & Co KG derzeit Lofts. Informationen und Details zur Nachnutzung des historischen Areals finden sich im Artikel vom 30. Mai 2010, in welchem über die Führung in der ehemaligen Ankerbrotfabrik im Rahmen der Architekturtage 2010 berichtet wird.

Autor

1 Kommentar

  1. Herzlichen Glückwunsch zu 120 Jahre, zum rücksichtsvollsten Fuhrpark auf der Strasse, zur Qualität. Wer von Qualität etwas versteht, von mir geleitet sicher über die Strasse zur Ankerfiliale geht. Sie können stolz sein.

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